1.2 Die axiomatische Methode

 

1.2.1 Mathematische Beweise

 

Das Aufstellen und Beweisen von Aussagen geschieht in einem formalen Rahmen:

  1. Festlegen der Sprache, d.h. der zu verwendenden Variablen, Symbole und Formeln,
  2. Festlegen endlich vieler Axiome und eventuell weiterer endlich vieler Schlussregeln, auf deren Basis Aussagen in der vereinbarten Sprache auf formaler Basis bewiesen werden.

Eine Sprache besteht aus einer endlichen oder unendlichen Liste von Aussagenvariablen \( a_1,a_2,a_3,\ldots, \) aus aussagenlogischen Verknüpfungen, wie \( \neg \) oder \( \vee, \) deren Bedeutungen an die jeweiligen semantischen Bedeutungen angelehnt sind, und aus Formeln, wie \( a\vee\neg b, \) deren Regeln zum Aufbau ebenfalls im Voraus vereinbart werden.

Ein Axiom ist eine Formel, die in ihrer semantischen Interpretation immer wahr, also tautologisch ist, wie beispielsweise \( \neg a\vee a. \) Unter einer Schlussregel verstehen wir eine Regel, die angibt, wie von einem endlichen System wahrer Voraussetzungen \( a_1,\ldots,a_n \) auf eine neue wahre Formel \( b \) geschlossen werden kann, in Zeichen
\[ \frac{a_1,\ a_2,\ \ldots,a_n}{b}\,. \] Ein solches formales System, bestehend aus den Elementen der Sprache, aus Axiomen und aus Schlussregeln, bezeichnen wir mit dem Buchstaben \( {\mathcal S.} \)

Es bezeichne nun \( \Gamma \) eine Menge endlich vieler Formeln von \( {\mathcal S}. \) Ein Beweis innerhalb des Systems \( {\mathcal S} \) unter Verwendung der Formelmenge \( \Gamma \) ist dann eine Folge \( F_1,F_2,\ldots,F_n \) von endlich vielen Formeln, die wie folgt entstehen:

  • entweder ist \( F_k \) für \( k=1,\ldots,n \) ein Axiom,
  • oder \( F_k \) für \( k=1,\ldots,n \) ist eine Formel aus der Formelmenge \( \Gamma, \)
  • oder \( F_k \) für \( k\gt 1 \) ist Resultat einer Schlussregel, deren Voraussetzungen in den Formeln \( F_1,\ldots,F_{k-1} \) enthalten sind.

Das Symbol
\[ \vdash_{\,\Gamma}F_n \] zeigt die Beweisbarkeit der Formel \( F_n \) unter Verwendung der Formelmenge \( \Gamma \) an. Geht aus dem Kontext klar hervor, welche Voraussetzungen in den Beweis eingehen, schreiben wir auch einfach \( \vdash F_n, \) wie bei den nachstehenden Ableitungen verschiedener Schlussregeln. Erst in den Paragraphen 1.2.5 und 1.2.6 studieren wir Beweise, die, bis auf ein Axiom, ohne Voraussetzungen geführt werden - in Zeichen ebenfalls \( \vdash F_n. \)

 


 

1.2.2 Das System von Hodel-Shoenfield

 

In diesem Paragraphen gehen wir nach dem Lehrbuch ➝ Hodel (2013) vor, siehe auch ➝ Shoenfield (1967). Zunächst legen wir die Sprachelemente fest.

Symbole:

  1. Aussagenvariablen \( a_1,a_2,a_3,\ldots, \)
  2. Verknüpfungen \( \neg \) und \( \vee \)
  3. Klammern \( ( \) und \( ) \) und das Kommazeichen \( , \)

Formeln:

  1. jede Aussagenvariable ist eine Formel
  2. \( \neg a \) und \( a\vee b \) sind Formeln, falls \( a \) und \( b \) Formeln sind
  3. jede endliche Anwendung der beiden vorigen Regeln ergibt eine Formel

Das Axiomensystem von Hodel-Shoenfield umfasst ferner ein Axiom, nämlich den Satz vom ausgeschlossenen Dritten, und vier Schlussregeln:

Axiom:

  1. \( \neg a\vee a \)

Schlussregeln:

  1. Assoziativregel (ASS):           \( \displaystyle\frac{a\vee(b\vee c)}{(a\vee b)\vee c} \)
  1. Kompressionsregel (KOM):   \( \displaystyle\frac{a\vee a}{a} \)
  1. Expansionsregel (EXP):         \( \displaystyle\frac{a}{b\vee a} \)
  1. Schnittregel (CUT):                \( \displaystyle\frac{a\vee b,\ \neg a\vee c}{b\vee c} \)

 

Zur Vereinfachung der Schreibweise werden noch folgende Setzungen vereinbart:

Definitionen:

  1. \( a\to b \)   bedeutet \( \neg a\vee b \)
  2. \( a\wedge b \)     bedeutet \( \neg(\neg a\vee\neg b) \)
  3. \( a\leftrightarrow b \)   bedeutet \( (a\to b)\wedge(b\to a) \)

Als Anwendung wollen wir folgenden Satz beweisen (siehe ➝ Hodel (2013), Seiten 80-81):

 

 Hauptseite